Wir sind die neuen Remote Work Weltmeister, oder nicht? Immerhin 1/4 der deutschen Erwerbstätigen (1) arbeiten remote. Die technischen Voraussetzungen wurden geschaffen, Meetings finden per Videokonferenzen statt und Mitarbeitende haben sich in ihrem zu Hause ein Büro eingerichtet. Alle haben sich arrangiert. Seit über 2 Jahren praktizieren wir dank der Pandemie weltweit das Mobile Arbeiten – das, was zuvor in den Chefetagen nicht denkbar gewesen ist, ist Realität geworden. Und es funktioniert überraschenderweise sehr gut. Wer hätte das gedacht? Trotzdem Vorgesetzte ihr wachsames Auge nicht auf ihre Teams persönlich und vor Ort werfen, sind Mitarbeitende größtenteils produktiver zu Hause, in den eigenen vier Wänden, als im Büro.
Höhere Produktivität im Home Office?
Unter der Voraussetzung, dass Mitarbeitende sich bei ihrer Arbeit zu Hause zurückziehen können, haben sie weniger Ablenkung. Keine Kollegen, keine Vorgesetzten, die mal eben zwischendurch in der Tür stehen und Informationen benötigen oder Smalltalk halten wollen. Jede noch so kleine Ablenkung geht zu Lasten unserer Konzentration. Studien zufolge reißt uns gedanklich allein die Benachrichtigung über eine neue E-Mail aus unserer Aufgabe raus, mit der wir uns beschäftigen. Wir sind abgelenkt und brauchen bis zu 15 Minuten, bis wir wieder in das Thema zurückgefunden haben und anknüpfen können. Wenn wir das exemplarisch hochrechnen, basierend auf 30 E-Mails oder Messenger-Benachrichtigungen, die wir täglich erhalten, dann sind das bis zu 7,5 Stunden, die wir täglich unkonzentriert und unproduktiv sind!
Es reicht schon, die Einstellungen für Nachrichten zu ändern und schon arbeiten wir produktiver.
Zu Hause ist es doch am schönsten
Nicht jedes Büro lädt zum Verweilen ein. Zum Teil ist die Innenausstattung in die Jahre gekommen, die Schreibtische und Bürostühle erinnern mehr an eine Bahnhofshalle als an einen Ort, wo Mitarbeitende sich wohlfühlen und top Performance abliefern. Raumgestaltung, Farben, Pflanzen (Stichwort: Nähe zur Natur), das Setting der Möbel, sind wichtige Bestandteile eines Wohlfühl-Klimas und unterstützt die Produktivität und Innovationsfähigkeit.
Im Home Office, dort wo ein separater Raum oder ein abgetrennter Arbeitsbereich möglich ist, können sich die Mitarbeitenden diesen so gestalten, wie es zu ihren individuellen Bedürfnissen passt. Unternehmen haben hier die Möglichkeit zu unterstützen, indem sie für ergonomische Schreibtische und Stühle sorgen.
Zwischendurch Pause machen, abschalten und raus in die Natur ist oftmals bei Remote Work einfacher, da die Mitarbeitenden einen Balkon oder eine Terrasse zu Hause haben. Hier ist es hilfreich im Team Regeln über Erreichbarkeit zu vereinbaren, Vertreterregelungen zu finden und Kernzeiten zu definieren, wer wann erreichbar sein sollte. Dies dient einerseits der Klarheit für Vorgesetzte und Mitarbeitende und vermeidet das Gefühl des Mitarbeitenden immer „on“ sein zu müssen.
Die größten Herausforderungen für Mitarbeitende im Home Office
- Angst etwas zu verpassen und Isolation
Viele Mitarbeitende wollen Remote Work und lieben ihre neu gewonnene Freiheit ihre Tage selbstbestimmter zu organisieren. Die Kehrseite der Medaille ist, dass ein Gefühl von Abgeschnittensein und Alleinsein entstehen kann. Die zufälligen Gespräche in der Kaffeeküche fallen weg, die Angst davor nicht alle Informationen zu erhalten und vergessen zu werden, ist groß.
Sich als Unternehmen dessen bewusst zu sein, wie wichtig es für Mitarbeitende ist, sich verbunden und wertgeschätzt zu fühlen, erleichtert es, einfache Schritte zu unternehmen, um das Gefühl des Unbehagens bei ihren Mitarbeitenden zu verringern.
- Unnötige Komplexität
Nichts ist frustrierender als IT-Systeme oder Applikationen, die nicht funktionieren. Remote arbeitende Angestellte können nicht täglich bei ihrem IT-Service vorbeigehen, wenn sie Probleme haben. Auch im Büro ist dies wenig effizient. Daher ist es wichtig, Programme und Apps zu wählen, die intuitiv und einfach zu bedienen sind und die dabei helfen die Produktivität zu erhöhen und Ausfallzeiten und damit Frust zu reduzieren.
- Work-Life-Blending
Aus Studien geht hervor, dass 83% der Mitarbeitenden im Home Office eine bessere Work-Life-Balance haben. Für sie ist es durch das Arbeiten zu Hause einfacher geworden, ihr Familienleben zu organisieren und Berufs- und Privatleben miteinander in Einklang zu bringen. Der Arbeitsweg fällt weg. Stresssituationen wie im Stau stehen haben sich in Luft aufgelöst. Ihr persönliches Wohlbefinden hat sich dadurch deutlich verbessert.
Dennoch fühlen sich 67% gestresst dadurch, dass sie im Home Office immer online und erreichbar sind. Berufs- und Privatleben verschwimmen. Es sind keine klaren Grenzen mehr vorhanden. Wie weiter oben im Artikel erwähnt, genügen ein paar einfache Regeln, um Abhilfe zu schaffen.
- Angst vor Kontrollverlust
Führungskräfte sind mit dem Beginn der Pandemie ebenso ins kalte Wasser geworfen worden wie alle anderen Mitarbeitenden. Auch hier zeigte sich, wer zuvor in Verbindung zu seinem Team gestanden hat, dem fiel es deutlich leichter mit der Veränderung durch Corona umzugehen und dies in sein Team zu transportieren.
Allein der Umstand, die Mitarbeitenden nicht mehr von Angesicht zu Angesicht zu sehen und zu spüren, hat zu Problemen geführt. Das Gefühl, nicht mehr die Kontrolle zu haben, dass ihr Team auch wirklich arbeitet, gepaart mit den eigenen Sorgen und Ängsten, die die Krisensituation mit sich brachte. Es ist ein Mythos, dass Vorgesetzte mit Anwesenheit der Mitarbeitenden tatsächlich kontrollieren können, dass sie arbeiten und produktiv sind. Dennoch waren sie es so gewohnt. Auch sie mussten sich erst an die dramatischen Veränderungen gewöhnen. Heute sind wir raus aus dem Krisenmodus und haben die Chance die Zukunft der Arbeit neu zu gestalten. Auch dies ist gleichzeitig eine Herausforderung. Es gibt kein allgemeingültiges Rezept, welches einfach nachgekocht werden kann. Hier sind viel Mut und Experimentierfreudigkeit der Chef-Etagen gefordert. Die alten Zöpfe der Vergangenheit müssen abgeschnitten werden, um den New Work Weg mit frischer Energie zu beschreiten.
Hilfreich ist, die eigene Resilienz (persönliche Widerstandskraft) zu trainieren und sich bewusst dafür zu entscheiden an dem eigenen Mindset zu arbeiten, um sich fit für die Zukunft zu machen, die längst begonnen hat.
In einem der nächsten Artikel gehe ich näher auf das Thema Resilienz und seine Bedeutung für New Work ein. Hier möchte ich in Kürze erwähnen, dass Resilienz unsere menschliche Kraft ist, mit Veränderungen, die von außen auf uns einwirken umzugehen. Die persönliche Resilienz wird bereits in Kindestagen geprägt und dennoch können wir sie weiterentwickeln und verbessern.
Mobile arbeiten ist nicht immer das Paradies
Unternehmen stehen heute vor neuen Herausforderungen, die durch das Arbeiten im Home Office entstanden oder verstärkt worden sind. Wie unter einer Lupe zeigt sich jetzt gnadenlos deutlich, wo es Versäumnisse gibt. Schmerzhaft fällt auf, ob Mitarbeiter sich mit dem Unternehmen und ihren Vorgesetzten verbunden und wahrgenommen fühlen oder sich isoliert und alleingelassen fühlen. Der einfache Switch vom festen Arbeitsplatz im Büro zu Laptop am Küchentisch im Home Office ist zu kurz gedacht.
Neben der höheren Flexibilität für Mitarbeitende ihre Work-Life-Balance zu gestalten, gibt es für Unternehmen, die Remote Work nachhaltig etablieren wollen, noch viel zu tun. So bekommt Führungsverantwortung eine neue Dimension. Digital Leadership ist anders als „analoges“ Leadership. Die persönlichen Gespräche im Büro sind weniger geworden oder fehlen ganz. Eine Verbindung zu Mitarbeitenden, die vorher mehr oder weniger vorhanden war, wird gekappt. Um dies zu vermeiden muss Digital Leadership als neuer Führungsstil verstanden werden, der gelernt werden kann. Es gibt ein paar einfache Dinge, die das Arbeitsleben aller Beteiligten leichter gestalten.
5 Tipps für ein leichteres Zusammenarbeiten
- 1. Raum für Persönliches gestalten:
Ich höre immer wieder von Kunden, dass sie von einem Meeting ins nächste hetzen und kaum Zeit finden auf die Toilette zu gehen, geschweige denn für einen persönlichen Austausch.
Als Führungskraft kannst du dein Meeting mit einem Check-In starten. Das bedeutet, dass du alle mental in das Meeting einlädst. Eine einfache Frage nach dem Wohlbefinden reicht schon aus. Um das Eis zu brechen, erzählst du am besten kurz etwas Persönliches von dir. In einer größeren Runde bietet es sich an Umfrage-Tools zu verwenden, die direkt die Ergebnisse online zeigen und die Stimmung sofort widerspiegeln.
- 2. Regelmäßige 1:1 Gespräche mit deinen Teammitgliedern
Dabei reicht das jährliche Mitarbeiter:innengespräch nicht aus, um wirklich eine emotionale Verbindung aufzubauen. Vielmehr ist es sinnvoll in kürzeren Abständen im Gespräch zu sein. Ich empfehle 1x wöchentlich oder alle 2 Wochen, wobei hier die individuellen Bedürfnisse des Teams eine Rolle spielen.
- 3. Aktiv zuhören
Wenn deine Mitarbeitenden mit dir sprechen und dir von Ideen oder Problemen berichten, ist es wichtig aufmerksam zuzuhören und dem Gegenüber das Gefühl zu vermitteln „ich interessiere mich für dich“. Kleine zustimmende oder bestätigende Gesten oder Laute, bekräftigen dies.
- 4. Persönliche Fragen stellen
Je besser du als Führungskraft deine Mitarbeitenden kennst, desto eher bekommst du mit, was sie bewegt. Es vereinfacht die Zusammenarbeit. Frag zum Beispiel wie es der Familie geht, was die Kinder machen, wie der letzte Urlaub war. Wenn ein Team-Mitglied dir erzählt, dass es die kranke Mutter zu Hause hat, kannst du den möglichen Einfluss auf die Arbeit mitgestalten, statt nur genervt auf die unkonzentrierte Arbeitsweise zu reagieren.
- 5. Kenne dein Team
Je besser du dein Team kennst, ihre individuellen Stärken und Schwächen, was sie motiviert, was ihnen wichtig ist, desto eher kannst du mit ihnen gemeinsam top Ergebnisse erreichen.
Fazit:
Unternehmen, die diese Herausforderungen annehmen und ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen, werden auf 2 Arten davon profitieren:
- Sie tun etwas für die Mitarbeiterbindung. Die Folge: motivierte Teams
- Sie sparen Kosten. Mieten für Büroflächen fallen zum Teil weg, Reisekosten reduzieren sich
Quellen:
(1) Statistisches Bundesamt (Destatis), 2022